Auenlandschaft an der Susasca, einem Nebenfluss des Inn (Foto © ANU)
Auenlandschaft an der Susasca, einem Nebenfluss des Inn (Foto © ANU)

Die vier grössten Herausforderungen

Herausforderung 1

Die noch vorhandene, gute ökologische Qualität in den Bergzonen 3 und 4, im Sömmerungsgebiet, in der alpinen und nivalen Zone sowie im Wald zu erhalten.

Graubünden umfasst einen Sechstel der schweizerischen Landesfläche. Seine klimatische, geologische und kulturelle Vielfalt sowie die lange Zeit traditionelle Bewirtschaftung des Kulturlands machen ihn zu einem der landschaftlich vielseitigsten Kantone der Schweiz. Fast 90% der Lebensraumtypen, die in der Schweiz vorkommen, sind auch im Kanton Graubünden vorhanden. Viele davon sind im Vergleich zur übrigen Schweiz noch in einem ökologisch überdurchschnittlich guten Zustand. Das gilt nicht nur für die alpinen und nivalen Lebensräume (u.a. Gebirgsmagerrasen, Zwergstrauchheiden, Gesteinsfluren), sondern auch für den Wald sowie für die Wiesen und Weiden der landwirtschaftlichen Nutzfläche (insbesondere in den Bergzonen 3 und 4, in denen 80% der Betriebe in Graubünden liegen) und das Sömmerungsgebiet (Vorweiden, Allmenden, Alpen). Der einzige Nationalpark der Schweiz mit seiner vom Menschen weitgehend unbeeinflussten Biodiversität liegt in Graubünden. Das gilt auch für 35% aller Trockenwiesen und-weiden von nationaler Bedeutung (davon rund ein Drittel in der landwirtschaftlichen Nutzfläche). In einem ersten Schritt gilt es, dieses einmalige Naturkapital zu erhalten.

Blühende Trockenwiese Zwischen Sent Und Ramosch Im Unterengadin (Foto © Yannick Andrea)
Blühende Trockenwiese Zwischen Sent Und Ramosch Im Unterengadin (Foto © Yannick Andrea)

Herausforderung 2

Im Spannungsfeld von Zielkonflikten und Klimawandel ausgewogene Lösungen für die grossen Defizite bei den wassergebundenen Lebensräumen und den davon abhängigen Arten zu finden.

Die grössten Defizite wurden bei den wassergebundenen Lebensräumen (Flüsse, Bäche, Seen, Auen, Moore, Kleingewässer) und den davon abhängigen Arten festgestellt. Alle wassergebundenen Organismengruppen (Fische, Gewässerinsekten, Amphibien, Libellen) sind in einer kritischen Situation mit dezimierten Beständen, die zum Teil weiter abnehmen. Beispielsweise sinken die von vielfältigen Fliessgewässern abhängigen kälteliebenden Fischbestände. Hauptursache ist die vielerorts schlechte Lebensraumqualität und das sinkende Nahrungsangebot. Ihre Nahrungsgrundlage, die Gewässerinsekten, zeigen einen überaus hohen Anteil an gefährdeten Arten. Der Klimawandel verschärft die Situation.

Unterwasseraufnahme von Seeforellen auf den Laichplätzen in den oberen Abschnitten der Aare, der sogenannten Hasliaare (Foto © Michel Roggo)
Unterwasseraufnahme Seeforellen (Foto © Michel Roggo)

Herausforderung 3

Das starke Biodiversitätsgefälle entlang dem Höhengradienten mit ökologischen Defiziten in den Tal- und Gunstlagen – soweit dies möglich ist – zu mildern.

Entlang der Höhenzonen existiert generell ein starkes Biodiversitätsgefälle mit ökologischen Defiziten in den Tal- und Gunstlagen. Während in den Bergzonen 3 und 4 und darüber die Verteilung der Lebensräume und Strukturen eine relativ gute Vernetzung der Arten und Populationen ermöglicht, weisen die tieferen Lagen Vernetzungsdefizite auf. So sind dort beispielsweise Tiere in ihren täglichen und saisonalen Wanderungen behindert. Dies zeigt sich an einer unterbrochenen Fischwanderung in den Fliessgewässern, in stark beeinträchtigten Amphibienzugstellen und an wenig intakten Wildtierkorridoren. In Gunstlagen, das heisst in flacheren und gut erreichbaren Gebieten, wird zum Teil auch über den ökologischen Ausgleich (Erhalt/Schaffung von Lebensraumstrukturen etc.) zu wenig Wirkung erzielt.

Blick Auf Chur In Richtung Surselva (Foto © Patrick Cavelti)
Blick Auf Chur In Richtung Surselva (Foto © Patrick Cavelti)

Herausforderung 4

Die Eigenverantwortung aller für das Naturkapital zu stärken.

Für eine erfolgreiche Biodiversitätsförderung ist das entsprechende Verständnis der Situation und der Zusammenhänge unerlässlich; wichtig ist auch eine Stärkung der Eigenverantwortlichkeit bei den relevanten Akteurinnen und Akteuren. Das Thema Biodiversität spielt aber bei der jeweiligen Aus- und Weiterbildung noch eine eher untergeordnete Rolle. Hier würden verstärkte Anstrengungen eine grosse und nachhaltige Wirkung erzielen. Zusätzlich gilt es, die Bevölkerung noch stärker bezüglich ihrer Beitragsmöglichkeiten für die Biodiversität in ihrem Einflussbereich zu sensibilisieren.

Wildbeobachtung Val Tuors Bergün (Foto © Stefan Schlumpf)
Wildbeobachtung Val Tuors Bergün (Foto © Stefan Schlumpf)